Wednesday, 24. March 2010

Guilt and Redemption: The Plautdietsch Version

Having missed it while it was being regularly screened last summer, I now took the chance to catch Carlos Reygadas' much-lauded Stellet Licht, as part of the Carl Th. Dreyer related films currently shown at the Arsenal cinema.
This story of Mennonite, Plautdietsch-speaking peasants in Mexico who are struggling with extramaritial desires, is very closely related to one of my favorite films, Dreyer's Ordet (1955): Stellet Licht too features a secluded, fundamentally Christian community of peasants, it too has a main character called Johann(es) and it directly incorporates several scenes from Dreyer's film - including the famously wondersome ending.
Yet, where Dreyer's original is a masterpiece of perfectly economical, formally rigorous story-telling, Reygadas' film creates much "talk" in the sense of a vulgar symbolic naturalism that seems to burden every image, every gesture and action with meaning. Close-ups (not exactly muched used by Dreyer himself) are everywhere, bodies are sweating for minutes after sex, a dead body is washed and cleaned in very close takes, children are bathing in a pond while the camera fondles their hair, a nurse is gratuitously staring into nowhere with the very familiar face of movie agony.
Still, for all the physical intimacy it creates, the characters remain suprisingly detached beings. Where Dreyer could beautifully suggest the conditions of a man/woman relationship just by the way he would place them in and around his interiors, Reygadas needs many "words" besides those few indeed spoken.
And the famous ending? Well, Reygadas employs a certain "twist" that shall not be given away here, but let's just say that what somehow worked as a very sincere, incredibly moving scene the first time (in Ordet), now seems rather awkward, and the way it is framed by yet another (admittedly stunningly beautiful but narcissistic) sunset, diminishes its power. A miracle shouldn't need further blabber.

Thursday, 18. March 2010

Krug Champagne and Caviar Purse

Irgendwie ist das schöne Foodie-Blog Refined Palate ein Musterbeispiel für diejenige Art amerikanischer Gästeehepaare, wie die Spitzengastronomie sie weltweit liebt: Sie essen alles und überall, sie haben offenbar unbegrenztes Budget (man beachte nur einmal die mannigfach abgelichteten BYO-Weine), bestellen - im übertragenen Sinne - zum Kebab auch mal 'ne Flasche Petrus, sie fotographieren alles, haben freundschaftliche Beziehungen zum Personal, das eigentlich überall irgendwie toll ist und sowieso lieben sie's fast überall und finden es auch herrlich, kleinerer Stilaussetzer zum Trotz, auf breiter Front zurückgeliebt zu werden.
Am Nachbartisch könnten die durchgehenden Jubeltrompeten à la amazing und awesome vielleicht nerven, im Web jedoch ist es durchaus angenehm zu verfolgen.

Monday, 15. March 2010

Minenfeld Burgund

Dass die Weine aus dem Burgund gerade in der mittleren (und damit vergleichsweise arg teuren) Preislage zwischen 20 und 50 Euro nur zu einem sehr, sehr kleinen Teil beim Trinkenden vor dem geistigen Auge eine ehrwürdige Parade martyriumsseliger Heiliger burgundischen Bodens aufmarschieren lassen (wie der stets kontroverse Roger Scruton es in seinem sehr schönen I Drink Therefore I Am als großes Burgunder-Erlebnis andeutete), hatte der gute Captain vor einiger Zeit schon klar gesagt und sagen lassen. Allerdings können auch die Reinfälle, die man im Burgund erlebt, durchaus interessant sein, obgleich man nicht unbedingt von einem ungetrübten Genuss sprechen mag.

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So erging es mir etwa jüngst mit einer Flasche 2006er Gevrey-Chambertin von der Domaine Rossignol-Trapet (siehe oben). Gekauft beim örtlichen Weinhändler für genau 40 Euro (inkl. anschließendem Ärger darüber, dass er bei mehreren Internetquellen für mindestens 10 Euro weniger zu haben gewesen wäre), bewies dieser Wein die relativ große Streuung, die nicht nur Robert Parker beim 2006er-Jahrgang im Burgund festgestellt hatte. Beim ersten Kosten ungefähr 10 Minuten nach dem Öffnen und Dekantieren bot sich zunächst die häufige Diskrepanz zwischen Nase und Gaumen: Ein Duft von dunklen Waldbeeren mit unterliegender Kirsche entströmte der Flasche, während man am Gaumen zunächst von einer ungeheuren Tanninfülle erschlagen wurde, die jedoch angenehm weich den Mundraum auskleidete. Während der nächsten zwei Stunden hoffte man auf die Abrundung des Weines - diese sollte auch kommen, leider jedoch auf eher unglückliche Weise. Denn der Chambertin kippte in einen einheitlich-unverspielten Ton, dem dominante Säure und schärfere Minzenoten eher das verbrämte Gesicht protestantischer Dorfjugend als denn Scrutons Messweintrunkenheit verliehen. Dem letzten Drittel eines Weines dieser Preisklasse ein Ende in der Spüle bereiten zu müssen, tut zwar weh, ist als Mytheneinriss aber auch irgendwie wieder befreiend.

Wednesday, 10. March 2010

Boozing Through Bad Times

In Denver, CO erscheint vierzehntäglich (!) das Magazin The Modern Drunkard, gegründet und herausgegeben von Frank Kelly Rich, seines Zeichens Autor des unerlässlichen, wenn auch manchmal etwas plumpen oder plump übersetzten Standardwerkes Die feine Art des Saufens: Ein Handbuch für den modernen Trinker:

Problem: Sie erwachen aus einer kurzen Bewusstlosigkeit und stellen fest, dass Sie im Begriff sind zu heiraten.
Lösung: Eine beunruhigende Situation, gewiss, trotzdem müssen Sie Ruhe bewahren. Handelt es sich um eine aufwendige Hochzeit? Eine prunkvolle Zeremonie ist ein starkes Indiz dafür, dass bei der Feier große Mengen hochklassiger Getränke angeboten werden. Auch die Hochzeitsreise dürfte an Orte führen, an denen exquisite Genüsse zu erwarten sind. Deshalb sollten Sie in diesem Fall unbedingt mit "Ja, ich will" antworten und erst nach der Hochzeitsreise die Annullierung der Ehe wegen seelischer Grausamkeit beantragen.


(F. K. Rich, Die feine Art des Saufens: Ein Handbuch für den modernen Trinker, 38 f.)

Tuesday, 29. September 2009

Macht Wagner rechtsradikal?

Diese und ähnliche Fragen diskutiert Joachim Kaiser mit Lesern (und zu einem erheblichen Teil sich selbst) seit einiger Zeit in seinem Video-Blog "Kaisers Klassik Kunde" für das SZ-Magazin. Das macht durchaus Spaß, auch, weil Kaiser so herrlich inmitten von Noten- und Partiturenbergen den großbürgerlichen Universalgelehrten alter Denke gibt, die Arme über der Weste verschränkt und ab und an seinen Bauch tätschelt.

Monday, 28. September 2009

Hexentanz mit Schleifstein

Nicht nur einige Bemerkungen Lars von Triers im Cargo-Interview, sondern auch die Hinweise im Blog Alphabet Rain aus Manchester lassen es plausibel erscheinen, Antichrist auch zum Teil als ein Stück überaus schwarzhumorigen Trash- und Genrekinos zu sehen. Der Film vermag seinen Misogynie-Vorwürfen eigentlich nur dann entgehen zu können, wenn Charlotte Gainsbourgs Charakter tatsächlich zur Hexe wird (deren letztlicher Scheiterhaufen ja schon bei der Ankunft im wäldlichen Domizil bereit zu stehen scheint), zum Bösen in Gestalt einer Frau, die sich damit fröhlich-blutig einreihte in die lange Liste weiblicher, bzw. weiblich konnotierter B-Movie-Monster. Auf diese Weise würde die den Angstzuständen der Frau gewidmete erste Stunde des Films, die - in meinen Augen - die beklemmendsten Szenen enthält, freiich zu einem falschen Hinweis geraten, der auf den Kopf gestellt wird, sobald der Mann herausfindet, dass der gemeinsame Sohn offenbar Misshandlungen durch die Frau ausgesetzt war. Ein Twist, wie in zahllosen Genrevertretern vorgeführt: Die augenscheinlich am meisten leidende, unverdächtigste Person entpuppt sich als Bestie.
Passen würde dies zumindest zu von Triers Aussage, er sei mit der Intention an die Arbeit gegangen, einen "konventionellen" Horrorfilm zu drehen, was ihm aber nicht gelungen sei. Dieses "Scheitern" läge dann quasi in den Szenen der genitalen Selbstverstümmelung oder der einsamen Masturbation nach dem versagten Liebesakt, während man mit den nicht anders als zynisch zu bezeichnenden Pro- und Epilogen, der häufigen Suche nach geeignetem (Folter)Werkzeug, dem nicht auffindbaren Schraubenschlüssel, überhaupt den Momenten aberwitzigen Gemetzels und Mit-dem-Schleifstein-am-Bein-herum-Geschleppes wieder zurück im Genre wäre. Gut möglich aber auch, dass dieser Film tatsächlich einfach kein sonderlich kohärenter ist, dass es letztlich kaum gelingen kann, seine Ebenen zu etwas Schlüssigem zu verdichten (von der ganzen Natur- und Teufelsthematik möchte man gar nicht erst anfangen). Anders als Alphabet Rain bin ich aber nicht der Auffassung, dass der Film hierdurch weniger bemerkenswert würde. Zumindest wenn das Material Bessenheit und Wahnsinn sein mögen, täte die Form ihm durchaus genüge.

Sunday, 20. September 2009

"Nur weiter denn, nur weiter..."

Franz Schubert: Winterreise, d.911
Mark Padmore, tenore
Paul Lewis, piano
Harmonia Mundi USA (HMU 907484)

Padmore-WinterreiseRecordings (or interpretations in general) of Schubert's "Winterreise" seem to fall into two categories: One is in the "intellectualist" tradition that shows great command of (and insight into) the Wilhelm Müller lyrics Schubert wrote his music for, but can at times sound as if at were sung during a Hausmusik gathering: slightly detached, melancholically telling of a time long gone, the main point here seems to be a fixation on the texts as a represantation of the thoughts and feelings of early 19th century German romanticism. To me, Fischer-Dieskau, (to a lesser degree) Hotter, and Prégardien fall into this category - which isn't to say anything against their mastery, mind you!
On the other hand there appears to be something like an "expressionist" approach which first of all seems to try to capture the overall feeling of deep sadness, darkness, and loneliness of this song-cycle of all song-cycles. The exponents of this tradition might not always get to the very core of every single line of Müller's texts to the degree the above singers do, but they often enough completely immerse themselves into the Schubertian idiom. In their interpretations we are essentially left with a sense of the immediacy and intimacy of these songs and the result can at times be heartbreaking. Anders, Patzak, and particularly Pears would come to mind here.
And now there's this new recording by the very great early music / baroque tenore Mark Padmore that might in some aspects represent the tradition of British tenores singing "lieder" that many would mainly associate with Peter Pears. But there's more to it: As mentioned above, Padmore started as a specialist for early and baroque music. In fact, I heard him serval times in the role of the "Evangelist" in Bach's passions and would easily declare him the finest and most adequate singer I have ever heard for this part: He has a quite high but still miraculously bodied tenore voice, crystal clear diction, superb intonation, and excellent control of the German texts he sings. In short, his voice is gorgeous and when he sings "... und ging hinein und weinete bitterlich" as in the "Matthäuspassion" in one long, floating, silvery line, time stops. It's this wonderful combination of clearness and passion / immersion that also makes him a believable "storyteller" and therefore makes this "Winterreise" recording so special.
Padmore manages to use the early music attributes of his voice with great effect: Listen to the way he moves to almost "senza vibrato" during parts of the heartwrenching five final songs, turning the scene into a wasteland of ice and snow. The concluding "Willst zu meinen Liedern deine Leier dreh'n?" of "Der Leiermann" is a wonder to behold: It soars up to the skies one last time before freezing and fading away without the tiniest sign of sentimentality. The utter eeriness we have arrived at here had been building up throughout the entire cycle before: Padmore's wanderer is one who right after the first two songs begins to melt with the landscape around him. Actually, what Padmore manages to convey at least as well as anyone before him, is the fact that this cycle isn't so much about unrequited love than just about one young outsider's long journey into black despair. This is apparent right from the start: Even the opening "Gute Nacht" seems to be sung in a laconic, somewhat cynical manner when Padmore has the wanderer remember the better days of his amorous encounters. From here on, everything is going a way long planned.
The surroundings of this way are brilliantly depicted in the piano accompaniment of Paul Lewis, who offers playing of great warmth and tone. It's actually very fitting that Lewis' dark and gloomy piano timbre partners with Padmore's rather light voice for "Winterreise", giving the wanderer enough space to rise above it, only to - as in the concluding five songs - finally engulf him in an almost toneless bed of snow. A great recording!
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